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Slenczka R. Feldmaņa faktors. Persönliche Erinnerungen an Virsmācītājs Professor Dr. Roberts Feldmanis

Slenczka R. Feldmaņa faktors. Persönliche Erinnerungen an Virsmācītājs Professor Dr. Roberts Feldmanis

Feldmaņa faktors

Persönliche Erinnerungen an Virsmācītājs Professor Dr. Roberts Feldmanis

4.8.1910-28.5.2002

Von Reinhard Slenczka

 

„Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber der HERR allein lenkt seinen Schritt.“ (Prov 16, 9) 

            Völlig unerwartet erhielt ich Anfang 1996 von der Frauenliga der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands eine Einladung, im April Vorträge über Frau und Kirche zu halten. Am Ende der nur von Damen besuchten Veranstaltung im Saal des Konsistoriums erschien ein schlanker, weißhaariger Herr, mit Kollar als Geistlicher erkennbar. Er begrüßte mich in auffallend gepflegtem Deutsch und schenkte mir eine Straßenkarte der Baltischen Staaten. Wir waren uns vorher nie begegnet, und doch schien es mir, dass wir uns gut kannten. So lud er mich auch gleich ein, am bevorstehenden Sonntag „Misericordias Domini“, dem Sonntag  „Vom guten Hirten“, in seiner Gemeinde, der Gustaf-Adolf Kirche in Mežaparks, die Predigt über Joh 10, 11-16 zu halten. Ich verstand damals noch kein Wort Lettisch, doch der mir bekannten Form der Liturgie und der Melodie der Lieder konnte ich gut folgen. Was mich an diesem Gottesdienst beeindruckte, war die Ehrfurcht von Pfarrer und Gemeinde in dem Bewusstsein: „Gott ist gegenwärtig…“ „Dievs ir jūtams klātu“ (DzGr 256).

Roberts Feldmanis übersetzte meine Predigt, und als Prediger merkt man ganz gut, ob die Gemeinde bei der Predigt mitgeht. Mir schien, dass der Sprachunterschied zwischen Prediger und Gemeinde überhaupt keine Rolle spielte. Das war eine geistliche Gemeinschaft, wie sie seit dem apostolischen Pfingsten (Apg 2) vom Heiligen Geist immer wieder durch Wort und Sakrament geschenkt wird, ein Wunder der Führung Gottes in der Gemeinschaft des Glaubens und des Dienens. Erzbischof Jānis Vanags hat dies einmal als den „Feldmaņa faktors“ bezeichnet, und ich habe dies seither durch die acht Jahre meines Dienstes in Lettland hindurch immer wieder erlebt.

            Nachmittags waren wir, Professor Feldmanis, der Gemeindevorsitzende, der uns fuhr, und ich zu Erzbischof Vanags in dessen Wohnung eingeladen. Nach einiger Zeit bei Tee und Plätzchen verließen alle anderen Anwesenden den Raum, und ich blieb zusammen mit dem Erzbischof und Professor Feldmanis zurück. Im Gespräch fragte der Erzbischof, ob er mir eine dumme Frage stellen dürfe. Man sei dabei, eine eigene Ausbildungsstätte für Pfarrer zu gründen und ob ich mir vorstellen könne, als Rektor die Leitung zu übernehmen. Er schilderte den großen Mangel an Pfarrernachwuchs und dass von der Theologischen Fakultät nur wenige Absolventen in den Kirchendienst eintreten wollten. Ich war von dieser Frage völlig überrascht, und die einzige Antwort, die ich geben konnte, war, dass ich das erst einmal mit meiner Frau besprechen müsse.

            Professor Feldmanis brachte mich abends zu meiner Unterkunft in der Aldaru iela. Wir unterhielten uns noch lange auf der Straße, und dann sagte er energisch: „Sie müssen nach Lettland kommen; denn das Luthertum hängt doch nun einmal an Deutschland.“ Eigentlich war damit bereits die Entscheidung gefallen, und bei meiner Rückkehr nach Erlangen stimmte meine Frau, die immer schon gern umgezogen ist, freudig zu. Meine Bedenken, dass mir doch sämtliche Sprachkenntnisse für diese Arbeit fehlten, wischte sie beiseite, indem sie sagte, Sprache sei doch die Sache des Heiligen Geistes (Apg 2, 9-13).

            Mit der von Professor Feldmanis geschenkten Straßenkarte fuhren wir dann im Sommer durch die Baltischen Staaten, um Land und Leute kennen zu lernen, und wir führten viele Gespräche über die bevorstehende Aufgabe, die wir dann gerne und mit der Zuversicht in den Beistand des Heiligen Geistes angenommen haben.

Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.“

(Ps 119, 105)

            Im September 1997 begannen wir mit dem Unterricht in der Luther-Akademie.  Wer sich an diese Anfänge erinnert, wird wissen, unter welchen Bedingungen das in einem Raum des alten Konsistoriums, den wir nur abends als Hörsaal benützen konnten, geschah. Ich unterrichtete zunächst abwechselnd auf Englisch und Deutsch. Im August hatten meine Frau und ich einen vierwöchigen Crashkurs im Lettischen von Miervaldis Vanags bekommen, der so unser Lehrer, Übersetzer und Freund geworden ist. Es bestätigte sich, dass die Sprachunterschiede in der Tat  kein unüberwindliches Hindernis bildeten. Die Umgangssprache in der Luther-Akademie wurde bald als „Luteranto“ bezeichnet: Lettisch, Russisch, Englisch, wenig Deutsch, und gelegentlich auch Französisch. Von Verständigungsschwierigkeiten konnte jedenfalls bei meiner Arbeit nicht die Rede sein, obwohl es wirklich nicht leicht ist, in fremdem Land und mit fremder Sprache  die Verantwortung für die Leitung einer solchen Einrichtung zu übernehmen.

            Dass dies gelang, verdanke ich einer ganzen Reihe von treuen und fähigen Mitarbeitern. Ich kann ihre Namen hier nicht alle aufzählen; doch sie sollen wissen, wie ich allen Beteiligten nur von Herzen dankbar bin für ihren Einsatz und für die vertrauensvolle Zusammenarbeit.

            Die Verbindung mit Professor Feldmanis hat mich durch die ganze Zeit hindurch auf besondere Weise begleitet. Wir trafen uns eigentlich nur gelegentlich; er war auch nicht unmittelbar an der Luther-Akademie beteiligt. Doch man spürte in den Gesprächen immer wieder, wie er Anteil an der Arbeit nahm und sich danach erkundigte oder auch über seine „Söhne” davon hörte. Mancher ist ja auch von ihm zum Theologiestudium geführt worden.

            In der zunehmenden Schwäche seines Alters habe ich ihn immer wieder in seiner Wohnung besucht, lange mit ihm gesprochen, aber auch zusammen gebetet und das Abendmahl gefeiert. Er erzählte mir vieles aus seinem Leben und aus der von ihm erlebten Geschichte der lettischen Kirche. Auf diese Weise bekam ich durch ihn einen lebendigen Eindruck davon, wie der Herr seine Kirche in Lettland durch die Wirren der Geschichte hindurch geführt und getragen hat. Von anderen Menschen erzählte er nur Gutes, obwohl er doch von manchen auch Schlechtes erfahren hatte. Dabei trat immer wieder das hervor, was ebenfalls zu dem  Feldmaņa faktors gehört. Das ist auch zusammengefasst in dem Vers 1 Kor 3, 11, den mir der Erzbischof als Widmung in eine lettische Bibel eintrug, die er mir am Anfang schenkte, nicht wissend, dass das mein Konfirmationsspruch war, der mich seither immer begleitet und getragen hat: Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“

            R. Feldmanis hatte Schweres erlitten und manche Enttäuschungen erlebt. Doch niemals erzählte er davon klagend oder anklagend, sondern stets in der Gewißheit, dass uns Gott in unserem Leben durch gute wie durch schlechte Tage und Zeiten führt und trägt. „Keinen Tag davon möchte ich missen” sagte er sogar von seiner Zeit in Gefängnis und Verbannung.

            Ebenso war es auch mit seinem Dienst in der Kirche. Seine wichtigste Aufgabe war der Gottesdienst mit Wort und Sakrament sowie die Seelsorge. Eine Leitungsaufgabe außerhalb der Gemeinde hat er mehrfach abgelehnt, doch als Ratgeber stand er immer zur Verfügung, und er wurde mit Ehrfurcht und Aufmerksamkeit, selbst bei langen Beiträgen, auch gehört. Wie ich das mehrfach erlebt habe, waren das keine Diskussionsbeiträge als Äußerung persönlicher Meinng, sondern theologisch oder besser geistlich begründete Weisungen, die als solche auch von den Zuhörenden aufgenommen wurden.  Geistliche Autorität und Vollmacht ist eben etwas völlig anderes als subjektive Meinung.

            Das kennzeichnet auch die Eigenart und Wirkung seiner pastoralen Tätigkeit, und es ist wohl nicht zufällig, dass er als Vater und die sich um ihm bildende Gemeinschaft junger oder zukünftiger Theologen als Söhne bezeichnet wurden. Auf die Frage, wie es eigentlich zu dieser Wirkung kam, antwortete er, dass er sich das auch nicht erklären könne. So sagte er wörtlich: „Ich habe nichts Besonderes, Interessantes oder Anziehendes gemacht, sondern einfach schlicht Gottesdienst gehalten. Es ist der Ernst des Gottesdienstes, auf den es ankommt.” Nach dem Augsburgischen Bekenntnis Artikel V sind das die „Mittel, durch die der Heilige Geist gegeben wird, der den Glauben wirkt, wann und wo es Gott gefällt”. Wiederum: das ist der Feldmanis Faktor. Wenn wir jedoch nicht wissen und nicht darauf vertrauen, dass der Heilige Geist durch Wort und Sakrament wirkt, dann suchen wir alle möglichen fremden Mitteln und Methoden, Gottesdienste attraktiv zu gestalten, Gemeinde aufzubauen, Theologen zu formen etc. Selbst wenn solche Unternehmungen statistischen Erfolg haben und Begeisterung auslösen mögen, so wird dadurch weder die Gemeinde erbaut noch werden Menschen durch den Glauben erneuert. Die Kirche bekommt vielleicht Sympathisanten, jedoch keine Glieder am Leib Christi.

“Gedenkt an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben; ihr Ende schaut an und folgt ihrem Glauben nach.“

 (Hebr 13, 7)

            Das wusste und das bezeugte Professor Feldmanis nicht als Theorie oder Methode, sondern als geistliche Einsicht und als Vorbild: „ Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, dass er der Herr ist, wir aber eure Knechte um Jesu willen“ (2 Kor 4, 5).  Der Pfarrer steht mit seinem Dienst vor seinem lebendigen Herrn und er vertritt den Herrn vor der Gemeinde: „Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.  So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!“  (2 Kor 5, 19-20). Es war diese demütige Vollmacht, durch die gerade auch junge Menschen in der Zeit der Unterdrückung zum Glauben geführt worden sind; das wissen und bezeugen noch viele von ihnen. Das soll auch die Erinnerung an diesen geistlichen Vater, der der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands geschenkt worden ist,  bestimmen.  Aus guten geistlichen Gründen hat er jedes Lob und jede Verehrung abgelehnt, auch den hohen staatlichen Dreisterneorden, der ihm angetragen worden war.

            Das Andenken an einen Lehrer und geistlichen Vater ist daher auch nicht bewundernde Verehrung, sondern Dank an Gott, der uns solche Lehrer schenkt. Vor allem aber ist es die Nachfolge im Glauben, der ja selbst ein Geschenk des Heiligen Geistes  ist. Wir sind oft blind für das Wirken des Heiligen Geistes in unserer Zeit, und dann fangen wir an, Pläne zu machen, Programme zu entwickeln und Methoden zu finden, um mit solchen Erscheinungen wie Postmoderne, Säkularisation, schwindenden Mitgliederzahlen und dergleichen fertig zu werden. Doch der Heilige Geist lässt sich weder durch Begeisterung noch durch Propaganda ersetzen. Die Evangelisch-Lutherische Kirche Lettlands hat das gerade in der Verfolgungszeit erlebt, und das kann sie auch anderen Kirchen bezeugen, wie der Herr seine Kirche auf wunderbare Weise erhält. Die von der reinen Verkündigung des Evangeliums und der rechten Verwaltung der Sakramente (CA VII) ausgehende Wirkung sammelt, erbaut und vollendet die Gemeinde Jesu Christi. Alles andere zerstört sie, wie der Herr der Gemeinde in Sardes schreibt: „Ich kenne deine Werke: Du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot“ (Offbg 3, 1).

            So bewahre, stärke und leite der Herr seine Kirche weiterhin, wie er es in so sichtbarer Weise in schweren Zeiten getan hat und schenke ihr gute Hirten und Lehrer nach seinem Willen.

 


 

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